Patientenversorgung und Innovationskraft dürfen nicht gefährdet werden

Mit dem Medizinprodukte-Anpassungsgesetz (MPAnpG-EU) soll das nationale Medizinprodukterecht an die EU-Vorgaben der Medical Device Regulation (MDR) angepasst und somit ein harmonisierter Rechtsrahmen für die Zulassung von Medizinprodukten umgesetzt werden. Die Anhörung der stellungnahmeberechtigten Organisationen zum Referentenentwurf findet am 25. September im Bundesgesundheitsministerium statt. Eurocom-Geschäftsführerin Oda Hagemeier dazu: „Grundsätzlich begrüßen wir, dass der deutsche Gesetzgeber den mit dem neuen europäischen Rechtsrahmen verbundenen Gestaltungsspielraum ausfüllt. Dabei sollten die in der MDR vorhandenen Öffnungsklauseln und Regelungsaufträge genutzt werden, um eine weitestgehend reibungslose Umsetzung zu ermöglichen und im Patienteninteresse bewährte Versorgungsstrukturen aufrecht zu erhalten. Die notwendigen Kapazitäten fehlen sowohl bei den zuständigen Institutionen als auch bei den herstellenden Betrieben. Wir sehen Änderungsbedarf.“

Kapazitätsengpässe beseitigen

Stichtag ist der 26. Mai 2020. So kurz vor Geltungsbeginn der MDR besteht allerdings auf EU-Ebene immer noch nicht die für die Zulassung erforderliche Infrastruktur. „Die damit einhergehende Gefahr von Versorgungsengpässen hat der Gesetzgeber offenbar erkannt und nimmt sie ernst“, so Hagemeier, „denn der Gesetzentwurf ermächtigt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), unter bestimmten Voraussetzungen das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten in Deutschland gesondert zuzulassen. Die Übergangsregelungen können die grundsätzliche Problematik der Kapazitätsengpässe allerdings nicht lösen.“ Denn zum einen fehlt es an Benannten Stellen, zum anderen ist die Risikobewertung und Kontrolle von Medizinprodukten von den bisher zuständigen Behörden der Länder auf Bundeebene gehoben worden. Was politisch als Signal hoher Relevanz der Patientensicherheit intendiert – und zu begrüßen – ist, steht allerdings vor hohen praktischen Hürden: Eine Abteilung des BfArM soll künftig schaffen, was zuvor zahlreiche Landesbehörden erledigten.

Für Klarheit sorgen und Bürokratie senken

Der Referentenentwurf betont, verlässliche, effiziente und transparente Zulassungsverfahren zu definieren. Dies sollte möglichst frühzeitig im Rahmen der noch vorzulegenden Rechtsverordnung geschehen, um den betroffenen Unternehmen eine rechtssichere Planung zu ermöglichen. „Diese ist noch nicht gewährleistet, vielmehr wird es den Unternehmen aktuell wesentlich erschwert, Innovationen einzuführen, aber auch bestehende Produkte am Markt zu halten“, betont Hagemeier. Dies betrifft u. a. die Umsetzung bisheriger Zwischenprodukte zur Herstellung von Sonderanfertigungen. Die bisherige nationale Regelung für Zwischenprodukte qua Medizinproduktegesetz kann unter der MDR nicht aufrecht erhalten bleiben. Eine entsprechende Regelung sieht der Referentenentwurf des MPAnpG-EU hingegen nicht vor. Hagemeier dazu: „Für die betroffenen Hersteller ist die Frage, wie Zwischenprodukte nun einzuordnen sind, von erheblicher Bedeutung für die korrekte Umsetzung der MDR. Hier besteht Klarstellungsbedarf.“

Einen enormen bürokratischen Aufwand stellen die Regelungen zu wissenschaftlichen/akademischen klinischen Prüfungen dar. Begrüßenswert ist die Absicht, die Probandensicherheit zu erhöhen. Allerdings sind die Anforderungen an die Prüfungsart enorm gestiegen. So soll nunmehr an Stelle der bisher für alle Arten der akademischen Forschung ausreichenden berufsrechtlich gebotenen ethischen Beratung künftig ein geregeltes Verwaltungsverfahren für akademische Studien bei der Ethikkommission und eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Bundesbehörde treten. „Auch mit Blick auf die einzureichenden Antragsunterlagen sehen wir hier überzogene nationale Anforderungen an klinische Prüfungen, die nicht klar und nachvollziehbar durch einen verbesserten Probandenschutz gerechtfertigt sind, sondern vielmehr die Innovationsfähigkeit der mittelständischen Medizintechnik und die wissenschaftliche Forschung am Standort Deutschland hemmen. Die Regelungen sollten daher unter dem Aspekt, die akademisch motivierte Forschung in Deutschland nicht unangemessen zu behindern, nochmals kritisch auf ihre praktischen Auswirkungen hin überprüft werden“, empfiehlt die eurocom-Geschäftsführerin.

Immer wieder hat die Branche in den letzten zwei Jahren an den Gesetzgeber appelliert, die MDR mit Augenmaß umzusetzen. Der Aufwand ist immens – an Bürokratie und Folgekosten. Sie werden ohne Preissteigerungen in bis zu zweistelligem Prozentbereich nicht abzufangen sein. Konkrete Kostenberechnungen und Folgenabschätzungen hierzu haben das Schweizer Bundesamt für Gesundheit und das Sekretariat für Wirtschaft in Auftrag gegeben. Demzufolge entstehen bei einem Umsatz von 15 Milliarden Euro zusätzliche Kosten in Höhe von 500 Millionen Euro zum Inverkehrbringen. „Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Insbesondere für kleine mittelständische Unternehmen sollte im Rahmen der Wirtschafts- und Standortpolitik ein Sofort-Hilfe-Programm initiiert werden“, so Hagemeier.

Über eurocom

eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.

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